Der Aufstieg zum Oksen - 1241 m
Nach der anstrengenden Wanderung zum Buerbre am Vormittag war eigentlich Entspannung angesagt. Aber wie so oft in diesem Urlaub konnten wir uns auf den
Wetterbericht, der auf der letzten Seite der hiesigen Boulevardblätter täglich aktualisiert wird und wir ihn in den Supermärkten dann inspizierten, nicht verlassen. Wir hatten in der Hütte
SAT-Empfang und empfingen stets Pro Sieben der Schweiz. Da waren leider keine norwegischen Sender zu ermitteln, denn der einheimische Wetterbericht ist für unsere Unternehmungen schon von
großem Interesse. Eine lange Anfahrt und dann im Regen zu stehen, ist weder ökonomisch sinnvoll noch für unseren kurzen Zeitraum effektiv. Denn im Gegensatz zur Vorhersage, die wieder Wolken und
Regen ankündigten, strahlte das Himmelblau durch große Wolkenlöcher. Dann soll heute der Oksen sein, ein Vorhaben, welches uns noch fehlte. Schon vor vier Jahren sind wir die Erklimmung des
Hausberges angegangen, mussten das Vorhaben allerdings in der „Bergwand“ abbrechen. Seinerseits starteten wir unsere Expedition direkt am Ferienhaus, was zusätzliche Kraft- und Zeitreserven beim
Anstieg zum obligatorischen Startpunkt am Sägeplatz verbrauchte. Später erfuhren wir, dass alle Gipfelstürmer ihre Autos hier stehen lassen und erst ab diesem Punkt zu Fuß den Oksen mit seinen
1241 m Höhe erklimmen. Gut zu wissen, diesmal nutzten wir das Wissen ebenfalls.
Am Sägeplatz waren wir die einzigen Wanderer. Es wird also sehr einsam am Gipfel. Unsere Bautzener Ferienhauskollegen hatten die Tour schon erfolgreich eine Woche
früher absolviert und sprachen von eisiger Kälte auf dem Berg. Deswegen hatten wir doch noch eine wärmende Jacke eingepackt. 10 Uhr 20 war es dann soweit, der Berg konnte angegangen werden.
Wieder verfolgten wir den steilen und schlammigen Traktorweg, der sich serpentinenartig den Hang hinaufschlängelte. Am Brunnenschacht ging er dann in einen Waldpfad über, der nah an der Kante des
Berges sehr schmal wird. Dann war die erste Aussicht an der Fjellbrune erreicht, kurze Verschnaufpause und den Blick in den Hardangerfjord genießen. Weiter geht es dann durch den Nadelwald, eng,
steil und dazu sehr rutschig, weil das Regenwasser der letzten Tage ebenfalls den kürzesten Weg ins Tal suchte. Der Wanderweg zum Oksen ist bei jedem Abzweig gut ausgeschildert, der Pfad
ausgetreten und nicht zu verfehlen. Nach gut einer Stunde lichtet sich der Baumbewuchs und man erreicht die Vindhovden, drei Hütten, die für Schutzsuchende bereitstehen. Denn im Gebirge kann sich
das Wetter schlagartig ändern und dann freut man sich über derlei Schutz. Durch das Fenster lässt sich die spärliche, aber nützliche Einrichtung erkennen, auch ein Hüttenbuch liegt auf dem Tisch.
Die Schlüssel hängen gut sichtbar an einem Nagel an der Tür. Und wenn jeder die Hütte so verlässt, wie er sie vorgefunden hat, dann hat jeder Nutzer einen optimalen Start. Nach der kurzen
Verschnaufpause geht es weiter leicht ansteigend zum mächtigen Bergrücken. Zwischendurch kommt man dem Abhang zum Fjord sehr nah, so dass man auch die Häuser von Tjo- und Naustflot erkennen
kann. Noch ein Erinnerungsfoto am Steinmännchen und dann schlängelt sich der Pfad dem Oksen empor. Mit jedem Schritt spürt man die zunehmende Höhe und lässt die umgebenden Felsen unter sich
verschwinden. Nach knapp zwei Stunden ist das massive Geröllfeld erreicht, welches den Einstieg zur letzten Etappe einläutet. Der Wind wird jetzt heftiger, trotz der Anstrengung lässt das
Schwitzen nach. Der Pfad windet sich über die karge Gebirgswelt mit einigen Schneefeldern bis endlich nach weiteren dreißig Minuten das Gipfeltürmchen erreicht ist. Das Gipfelbuch ist neu, die
ersten Eintragungen datierten vom 4. August 2012, also von gestern. Am heutigen Sonntag bin ich der Erste und wahrscheinlich auch Einzige, denn uns waren keine anderen Wanderer begegnet. Es sei
denn, von Djønno haben sich einige auf dem Weg gemacht, denn diese sieht man erst am Gipfel. Nun ist also auch die noch offene Aufgabe von 2008 erfüllt worden. Wenn man so nah dran war, bleibt
immer das Gefühl, etwas zu zögerlich gewesen zu sein. Aber es kommt schließlich nicht nur darauf an, den Berg zu erklimmen, man muss auch wieder herunter kommen. Heute jedenfalls war es mir
gelungen und so entspannend war dann auch der Rückmarsch. 16:55 Uhr standen wir wieder am Ausgangspunkt, dem Sägeplatz. Mit Rast und Gipfelimpressionen also fast 6,5 Stunden. Das ist dann
wirklich eine schöne Tageswanderung. Schließlich will man unterwegs auch die grandiose Aussicht genießen und das Gefühl verinnerlichen, über den Wolken zu schweben. Und trotz des fulminanten
Sonnenwetters, auch eine Regenwolke suchte uns heim und benetzte uns mit einem kleinen Guss. So hatte es auch etwas Gutes, die Regenjacken mit zum Gipfel getragen zu haben, sie waren nicht
nutzlos. Während der Wanderung hatte ich mehrmals einen Tannenhäher rufen hören und Petra hatte ihn beim Abstieg sogar gesehen, wie er durch den Nadelwald lief. Leider war ich schon vorausgeeilt
und musste mir das Erlebnis erzählen lassen. Aber die Beschreibung stimmte genau, unser erster Tannenhäher. Oben am Gipfel leistete mir dann ein Pärchen Kolkraben Gesellschaft, später beim
Abstieg gesellten sich dann noch drei „Gebirgsschafe“ zu mir. Sie hatten bestimmt Mitleid, weil ich so mutterseelenallein war. Dass sie nur auf Nahrung aus waren, will ich mal jetzt nicht
glauben. Und ein Berghänfling begleitete uns auf dem Fjell, während im Mischwald auf niederer Höhe eine Tannenmeise uns genau beäugte. Dazu kam sie vom Wipfel auf den untersten Ast einer Birke
und schaute uns ganz genau an. Wir hätten sie fast greifen können. So schnell hatte ich den Fotoapparat nicht parat, wieder eine verpasste Gelegenheit. Dafür konnten wir an der Hütte noch
Rotkehlchen und Erlenzeisige beobachten. Die jungen Zeisige saßen in einer Kiefer und bettelten ihre Eltern um Nahrung an. Normalerweise hielten sich die Jungvögel nur in den dichten Nadeln auf.
Aber wenn die Eltern nicht schnell genug wieder Futter beschafften, wurden sie unaufmerksam und kamen laut piepsend an den Rand, so dass ich sie mit meinem Tele fotografierte. Aber jeder Feind
hätte den kleinen Vorlaut auch fangen können. Da macht der Hunger aber unvorsichtig.
Nun ist es Abend, alles noch schön klar. Wenn die Sonne untergeht, kann man noch einen schönen roten Himmel erwarten. Ich bin bereit! Bis morgen!